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Grünes Gewandhaus

Dresden

EIN HISTORISCHER ORT
Mit der Wiederherstellung der städtebaulichen Strukturen am Dresdner Neumarkt ist ein Dreivierteljahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkrieges ein wichtiger Teil der historischen Innenstadt wiederbelebt worden. Während es bei der Rekonstruktion von Frauenkirche und den umliegenden Quartieren einen grundlegenden Konsens gab, sich an dem historischen Stadtgrundriss zu orientieren, entwickelte sich um eine zentrale Fläche eine längere Auseinandersetzung. Der Ort des ehemaligen Gewandhauses, westlich der Frauenkirche gegenüber gelegen, hat eine wechselhafte Geschichte. Noch im 16. Jahrhundert stand hier die alte Dresdner Synagoge am Jüdenhof, unmittelbar an der Stadtmauer. Mit der Stadterweiterung wurde an dieser Stelle im Jahre 1591 der Renaissancebau des Gewandhauses errichtet. Im Erdgeschoss lagen die Verkaufsräume der ausländischen Tuchhändler und weitere Ladenflächen; im Obergeschoss befand sich ein Saal für städtische Veranstaltungen. Es war also ein multifunktionales, öffentlich genutztes Gebäude mit einer starken Beziehung zum Platzraum des Neumarktes.

BEGRÜNEN STATT BEBAUEN
Das Gewandhaus wurde jedoch 1791 abgerissen, um den Platz nochmals zu vergrößern. Nachdem die Fläche 300 Jahre frei und offen blieb, wurde im Zuge der Neumarkt-Rekonstruktion erneut eine Bebauung an dieser Stelle diskutiert. Nach einer mehrjährigen heftigen Diskussion beschloss der Stadtrat 2008, die Fläche nicht zu bebauen, sondern stattdessen zu „begrünen“.
Doch was bedeutet eine „Begrünung“ in diesem Kontext? Wie kann ein moderner, klimagerechter Freiraum gegenüber der monumentalen Frauenkirche neu entstehen und dabei die in der öffentlichen Diskussion vielfältig geäußerten Meinungen berücksichtigen? Dazu wurde ein Workshopverfahren durchgeführt, an dem neben den beauftragten Landschaftsarchitekten auch Vertreter der Stadtpolitik, Interessengruppen und Fachexperten teilnahmen.

EIN LUFTIGER BAUMSAAL
Im Ergebnis fand sich für das scheinbar simple Ziel der „Begrünung“ eine räumliche Entsprechung, die das Gewandhausareal einerseits mit dem Neumarkt verknüpft, andererseits das Volumen des historischen Baukörpers nachempfindet. So entstand das „Grüne Gewandhaus“ als ein hybrider Raum, gleichermaßen Platz und Haus. Ein hohes Dach aus kubisch geschnittenen Platanen bildet einen Baumsaal, die in Doppelreihe angeordneten Stämme erinnern an die Säulen einer Wandelhalle. Auch trennen diese Reihen das Außen vom Innen und formen einen hofähnlichen Raum, etwas abseits gelegen vom touristischen Getümmel des Neumarktes. In diesem luftigen Saal sitzend bietet sich dem Besucher ein besonderer Blick auf die Frauenkirche. Während fast alle anderen Platzränder von ausladenden Schankflächen belegt sind, kann man hier einfach so sitzen, ganz ohne den „Verzehrzwang“ der kommerziellen Orte.

TUCHBAHNEN IN STEIN
Die Grundfläche des historischen Gewandhauses wird durch einen Wechsel im Bodenbelag sichtbar. Pflasterbahnen aus verschiedenen Natursteinen symbolisieren Textilien aus ganz Europa, die hier früher gehandelt wurden. Und so findet man einen abstrahierten türkischen Kelim neben einem englischen Herringbone-Tweed und venezianische Spitze neben einem Lausitzer Tuch.
Zum Neumarkt hin wird das grüne Haus durch eine lange Sitzbank aus Sandstein abgegrenzt. Sie zeichnet die Linie der ehemaligen Zwingermauer als ein Teil der Stadtbefestigung nach, die genau hier im Boden noch vorhanden ist. Mit dem integrierten Trinkbrunnen wird einem vielfach geäußerten Wunsch der Dresdener Bürger entsprochen.
Mit der Anlage des „Grünen Gewandhauses“ fand ein konfliktreicher Diskussionsprozess ein glückliches Ende. Die Dresdner Bürgerschaft nahm regen Anteil an der Neugestaltung, ein Teil des Budgets wurde über private Spenden finanziert. Auch beteiligte sich der britische „Dresden Trust“ als eine Organisation, die sich für den Wiederaufbau des Dresdner Stadtzentrums engagiert.


Übersicht © Christiane Eberts, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, 2021


Seit der Barockzeit war der frühere Standort des Alten Gewandhauses nicht mehr bebaut, sondern Bestandteil des Platzraumes. Im Zuge der Wiederherstellung des Neumarktes stellte sich die Frage einer Rekonstruktion des Gewandhauses. © Till Rehwaldt, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, 2014


Das Konzept entwickelt die Idee eines „räumlichen Hybrids“. Eine Pflanzung aus geschnittenen Platanen demonstriert die Kubatur des früheren Gebäudes, lässt jedoch unter den Baumkronen den Platz hindurchfließen. © Christiane Eberts, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, 2021


Direkt gegenüber der Frauenkirche entstand ein grüner urbaner Raum, der den Charakter des ehemaligen Handelshauses als ein öffentlicher Ort der Stadtgesellschaft in eine neue Form überträgt. © Christiane Eberts, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, 2021


Das Erdgeschoß des „Grünen Gewandhauses“ wird gleichzeitig zum Treffpunkt und Ruheplatz, bietet vor allem aber einen vorzüglichen Blick auf den imposanten Kirchenbau. © Christiane Eberts, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, 2019


Am Boden bildet das ornamentale Kleinpflaster einen Kontrast zum Straßenbelag des Neumarktes. © Christiane Eberts, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, 2021


Die Muster des ornamentalen Kleinpflasters sind von den Stoffen der ausländischen Tuchhändler inspiriert, die früher an dieser Stelle gehandelt wurden. © Till Rehwaldt, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, 2016


Auf der Linie der unterirdisch noch vorhandenen Zwingermauer befindet sich ein langgestrecktes Sitzelement, an dessen Stirnseite ein Trinkbrunnen integriert ist. © Christiane Eberts, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, 2021


Brunnendetail © Christiane Eberts, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, 2021


Gesamteinduck - Blick Richtung Johanneum © Christiane Eberts, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, 2019


Entwurfsverfasser
Till Rehwaldt
Rehwaldt Landschaftsarchitekten bdla

Mitarbeiter
Projektleiter: H. Langkutsch, Mitarbeiter: K. Heidel


Fachplaner / Bauleitung
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am Bau beteiligte Firmen
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Auftraggeber | Bauherr
Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt/Grünflächenamt

Bearbeitungszeitraum
2010- 04.2019

Planungs- / Baukosten
1 100 000 Euros